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Vanilleanbau am richtigen Ort lohnt sich für Mensch und Natur  [16.02.22]

Madagaskar ist das wichtigste Produktionsland für Vanille – dem wohlriechenden Geschmacksgeber von Süßspeisen und Gebäck. Ein Forschungsteam der Universität Göttingen, der Universität von Antananarivo und der Universität Hohenheim hat den Vanilleanbau und dessen Auswirkungen auf Mensch und Natur in den vergangenen fünf Jahren erforscht. Dabei zeigte sich, dass der Vanilleanbau in Agroforstsystemen, in denen die Vanille unter Schattenbäumen wächst, sowohl für Mensch als auch für Natur Vorteile bringt gegenüber anderen Landnutzungsformen. Dies aber nur, wenn die Vanille auf bereits entwaldeten Brachflächen gepflanzt wird. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences erschienen.

Die Vanilleorchidee wird auf anderen Pflanzen aufgehängt (Vordergrund) und wächst unter den Baumkronen (Hintergrund) dieser ehemaligen Waldfläche. Im Gegensatz zu Vanilleagroforsten, die auf offenem Brachland etabliert werden, führt dieser Anbau zu einem Verlust endemischer Arten und Ökosystemfunktionen. Foto: Dominic Martin

 

Das Forschungsteam sammelte Daten zu Artenvielfalt und Ökosystemdienstleistungen wie Kohlenstoffspeicherung sowie dazu, wie die Ernte bei verschiedenen Landnutzungen ausfällt und wie profitabel diese sind. Dabei konzentrierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich auf Vanille-Agroforstsysteme. Diese werden häufig direkt im Wald etabliert: Bäuerinnen und Bauern entfernen Sträucher und einzelne Bäume, und pflanzen die Vanille-Orchidee direkt unter die noch bestehenden Bäume. Alternativ lassen sich Vanille-Agroforstsysteme aber auch auf Brachland etablieren, welches regelmäßig durch Brandrohdung für den Reisanbau vorbereitet wird, und deshalb offener ist. 

Thio Rosin Fulgence (links) und Fanomazena Mihaja Ratsoavina, Koautoren der Studie, während der Datensammlung zur Amphibien- und Reptiliendiversität in einem Vanilleagroforst. Die gesammelten Informationen flossen neben anderen Daten zur Artenvielfalt, Ökosystemdienstleistungen und agronomischer Produktivität in die Synthesestudie ein. Foto: Dominic Martin

Thio Rosin Fulgence (links) und Fanomazena Mihaja Ratsoavina, Koautoren der Studie, während der Datensammlung zur Amphibien- und Reptiliendiversität in einem Vanilleagroforst. Die gesammelten Informationen flossen neben anderen Daten zur Artenvielfalt, Ökosystemdienstleistungen und agronomischer Produktivität in die Synthesestudie ein. Foto: Dominic Martin

Das Team ließ bei der Analyse die Landnutzungsgeschichte – also die vorherige Landnutzung – mit einfließen. Dabei wurden die Daten zum Artenreichtum von sieben Artengruppen, zu fünf Ökosystemdienstleistungen, sowie zu Ernte und Profitabilität jeweils mit der vorherigen Landnutzung verglichen. Diese interdisziplinäre Herangehensweise ermöglichte es, die positiven und negativen Auswirkungen von Landnutzungsänderungen aus einer ganzheitlichen Perspektive zu erforschen. 

Der Vanille-Agroforst, welcher auf offenem Brachland etabliert wird, bringt klare Vorteile für Mensch und Natur. Die Umwandlung von Wäldern in Vanille-Agroforstsysteme verursacht hingegen Nachteile für Tiere und Pflanzen, da wichtige Funktionen von Wäldern verloren gehen. Die Umwandlung weiterer Wälder in Vanille-Agroforste lässt sich somit nur als Alternative zur Brandrohdung rechtfertigen, bei welcher sowohl die Artenvielfalt als auch die Ökosystemdienstleistungen noch deutlich stärker leiden

Die Brandrohdung für den Reisanbau ist der Hauptgrund für den Waldverlust in Nordost-Madagaskar. Vanilleagroforste, die auf bereits entwaldetem Land etabliert werden, könnten eine nachhaltige Alternative bieten. Foto: Dominic Martin

Die Brandrohdung für den Reisanbau ist der Hauptgrund für den Waldverlust in Nordost-Madagaskar. Vanilleagroforste, die auf bereits entwaldetem Land etabliert werden, könnten eine nachhaltige Alternative bieten. Foto: Dominic Martin

Dr. Fanilo Andrianisaina, Forscherin an der Universität Antananarivo, Madagaskar, hebt die Vorteile des Vanilleanbaus für die Bäuerinnen und Bauern heraus: „Bei den Preisen, welche wir im Studienzeitraum dokumentieren konnten, ist Vanille grundsätzlich profitabel. Natürlich bleibt auch viel Geld bei den Zwischenhändlern und Exporteuren, aber viele Vanille-Bauern konnten sich neue Häuser, Solarpanels oder Motorräder leisten; das war zuvor undenkbar.“ Allerdings beobachtete das Team auch, dass die Vanille-Preise in den vergangenen zwei Jahren einbrachen, was Profite gefährdet.

Somit stellt sich auch die Frage, in wie weit sich die Forschungsergebnisse auf die Zukunft und auf andere Landschaften übertragen lassen. „Mir scheint ein fairer und stabiler Vanillepreis langfristig extrem wichtig zu sein“, sagt dazu Dr. Dominic Martin von der Universität Göttingen, der Erstautor der Studie. „Das ständige Auf- und Ab bei den Preisen macht es für die Produzierenden unmöglich, sich auf den potenziell nachhaltigen Vanilleanbau zu konzentrieren – das Risiko, wirtschaftlich nur von Vanille abzuhängen, ist einfach zu hoch“, ergänzt er. Prof. Dr. Holger Kreft von der Universität Göttingen, der die Studie koordiniert hat, sagt: „Die vorherige Landnutzung ist bei der Beurteilung von Landnutzungsänderungen auch in anderen Regionen der Erde entscheidend. Unser Modell ist somit universell anwendbar, und das hebt auch die globale Relevanz unserer Ergebnisse hervor.“

Text: Pressestelle Universität Göttingen, link zur Originalquelle

OriginalveröffentlichungMartin, D.A. et al. (2022) Land-use trajectories for sustainable land system transformations: identifying leverage points in a global biodiversity hotspot. Proceedings of the National Academy of Sciences USA. https://doi.org/10.1073/pnas.2107747119 


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